Der Luftverkehr ist nicht nur wegen seines kontinuierlichen Wachstums Fokus klimapolitischer Debatten, sondern auch, weil nur ein kleiner Teil der Erdbevölkerung viel fliegt und damit für hohe Treibhausgasemissionen verantwortlich zeichnet. In der Europäischen Union ist der Luftverkehr für etwa 4 % der gesamten Treibhausgasemissionen verantwortlich und gilt als der am schnellsten wachsende Emissionssektor. Da andere Wirtschaftsbereiche rascher dekarbonisieren, ist davon auszugehen, dass sein relativer Anteil an den globalen Emissionen weiter zunehmen wird. Trotz dieser Entwicklung bleiben wirksame Regulierungsmaßnahmen bislang weitgehend aus. Weder die Internationale Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) noch nationale Regierungen setzen aktuell effektive Instrumente zur Reduktion der Emissionen im internationalen Luftverkehr um. Die Emissionen des Luftverkehrs sind global sehr ungleich verteilt, weil nur rund 1 % der Menschen die Hälfte aller weltweiten Luftverkehrsemissionen verursachen. Diese ungleiche Verteilung der Emissionen beruht jedoch nicht auf Unterschieden zwischen Ländern, sondern auf einer Kluft innerhalb der Länder, nämlich zwischen Menschen mit hohen und niedrigen Emissionen.
Privatjets: Kleine Flugzeuge mit hohen Emissionen

Ein Privatjet ist ein Flugzeug, das für die Beförderung kleinerer Personengruppen konzipiert ist. Er ist verbunden mit luxuriösem Kabinendesign und Service. Emissionen der privaten Luftfahrt wurden bislang kaum quantifiziert. Laut einer aktuellen Studie sind nahezu die Hälfte aller Privatflüge weltweit kürzer als 500 km (47,4 %). 630 Privatjets sind in Deutschland registriert, das ergibt einen globalen Anteil von 2,4 %.
Da Privatjets häufig auch als „Geschäftsreiseverkehr“ bezeichnet werden, hat der T3 in einer eigenen Studie Ankünfte von Privatjets an 45 Flughäfen von europäischen Urlaubsdestinationen analysiert und festgestellt, dass diese stark mit den Haupttouristensaisons korrelieren. Bei der Auswertung der Daten zu dieser Studie war auffällig, wie häufig Privatjets auf sehr kurzen Distanzen unterwegs sind. Deshalb soll dies in diesem Blog vertieft werden.
Auf einer Strecke von 250 km fallen 40-50 % der Emissionen direkt beim Start an
In unserer Studie hatten wir Privatjets identifiziert, die im Laufe des Jahres 2023 45 Flughäfen als Start- oder Zielpunkt hatten. Insgesamt wurden 208.307 entsprechende Flüge erfasst, es sollte daher eine recht repräsentative Auswahl vorliegen, auch wenn der Auswahl der Flughäfen eine andere Rechercheidee (nämlich nach Urlaubsflügen) zugrunde lag. Für alle diese Flüge haben wir mithilfe des EUROCONTROL Small Emitters Tool die Emissionen berechnet. Abbildung 1 zeigt exemplarisch die Emissionen der zehn am häufigsten eingesetzten Flugzeugtypen auf einer Strecke von 250 Kilometern. Auffällig ist dabei: Bereits auf den ersten Kilometern entstehen rund 40–50 % der gesamten Emissionen eines Fluges.


Zur weiteren Auswertung haben wir unseren Datensatz in vier Distanzklassen unterteilt (siehe Abbildung 2). Dabei zeigt sich deutlich, dass das Verhältnis der Emissionen pro Kilometer mit zunehmender Flugdistanz abnimmt. Auf den ersten 50 Kilometern liegen die durchschnittlichen Emissionen bei über 15 kg CO₂ pro Kilometer. Bei Flügen mit einer Distanz von über 500 Kilometern sinkt dieser Wert auf durchschnittlich 4 kg/km – bei bestehenden Unterschieden je nach Flugzeugtyp.
Geringer Anteil auf kurz- und Ultrakurzstrecke, aber überproportional viele Emissionen
Insgesamt sind 11 % aller betrachteten Flüge kürzer als 250 Kilometer, 1 % sind sogar kürzer als 50 Kilometer. Diese besonders kurzen Distanzen verdienen eine nähere Betrachtung, da sie ein deutlich ungünstigeres Verhältnis von Emissionen pro zurückgelegtem Kilometer aufweisen. Die Unterteilung der Flugdistanzen ist im Histogramm in nebenstehender Abbildung 3 dargestellt.

Tabelle 1 fasst die wichtigsten Kennzahlen für die untersuchten Flüge zusammen. Wir haben die Gesamtzahl der Flüge, die gesamte zurückgelegte Distanz, die gesamten CO₂-Emissionen und die durchschnittliche Flugdistanz berechnet. Diese Kennzahlen geben einen Überblick über die Dimensionen des untersuchten Luftverkehrs und ermöglichen es, den Emissionsausstoß im Verhältnis zur zurückgelegten Strecke besser zu verstehen.
Kennzahl | Wert |
Gesamtzahl der Flüge | 23.420 |
Gesamte zurückgelegte Distanz | 3.469.816 km |
Gesamte CO₂-Emissionen | 21.790,5 T |
Durchschnittliche Flugdistanz | 150,27 km |
Ultrakurzdistanzflüge: Analyse der Top 50 Verbindungen mit der kleinsten Distanz
Um das Phänomen der Ultrakurzdistanzflüge besser zu verstehen, haben wir den Datensatz weiter untersucht und die 50 Verbindungen mit der kleinsten Distanz aufsteigend analysiert. Dabei reichte die Distanz von nur 7 km Luftlinie bis hin zu 88 km. Sieben Kilometer, das ist eine Distanz, die zu Fuß zurückgelegt werden kann. Hier handelt es sich um Flüge, die sowohl besonders emissionsintensiv sind, als auch besonders gut mit anderen Verkehrsmitteln zurückgelegt werden können.
Die Analyse dieser Verbindungen hat außerdem interessante Raummuster ergeben, die auf regionale Hotspots für Ultrakurzflüge hinweisen. Um zu zeigen, welche Flughäfen besonders betroffen sind, haben wir die relevantesten Flughäfen in der folgenden Tabelle zusammengefasst. Unsere Stichprobe umfasst 45 Flughäfen in Urlaubsdestinationen. In der folgenden Tabelle sind die Daten zu den Flugverbindungen an ausgewählten Flughäfen dieser Stichprobe sowie deren Auswirkungen auf die Umwelt zusammengefasst. Die Angaben beinhalten die Anzahl der Flüge, die zurückgelegte Gesamtstrecke, die CO₂-Emissionen und die mittlere Flugdistanz. Diese Daten bieten einen Überblick darüber, wie verschiedene Flughäfen in Bezug auf ihre Emissionen und Flugaktivitäten abschneiden.
Flughafen | Kurzstrecken Flugverbindungen | Anzahl Flüge | Gesamte km | Tonnen CO2 | Mittlere Flugdistanz (km) |
Ajaccio Napoleon Bonaparte Airport | 3 | 316 | 17.009 | 112,1 | 50 |
Cote D’Azur Airport | 4 | 570 | 16.648 | 224,5 | 35 |
Genève Airport | 7 | 645 | 32.596 | 303 | 51 |
La Mole Airport | 4 | 198 | 12.031 | 66,3 | 54 |
Mandelieu Airport | 3 | 399 | 15.706 | 218,5 | 53 |
W. A. Mozart Salzburg Airport | 5 | 184 | 10.794 | 85,5 | 60 |
Genf: Drehscheibe für Flüge um den See

Ein herausragendes Beispiel für einen Flughafen mit vielen Kurzstreckenflügen ist der Genfer Flughafen. Die Analyse der Flugverbindungen zeigt, dass eine signifikante Anzahl von Ultrakurzflügen innerhalb der Region durchgeführt wird, vor allem zu nahegelegenen Zielen, die oft nur wenige Dutzend Kilometer entfernt sind. Genf, als internationales Drehkreuz, ist durch seine geografische Lage besonders betroffen. Die Verbindung zwischen Genf und anderen Städten im Nachbarland oder in nahegelegenen Regionen zeigt deutlich, wie sehr die lokale Luftfahrt durch Kurzdistanzflüge geprägt ist. Dabei könnte jeder dieser Flüge innerhalb von drei Stunden oder weniger mit dem Auto oder Zug zurückgelegt werden.
Insgesamt wurden sechs verschiedene Flughäfen angesteuert. 1185 Flüge ins 68 km entfernte Chambery und 149 zum 62 km entfernten La Blechette Flughafen bei Lausanne. 80 Flüge gingen ins 71 km entfernte Leysin. Besonders ins Gewicht fallen im Hinblick auf die damit verbundenen Emissionen die 135 Flüge zum nur 13 km entfernten Annemasse Airport, die 76 Flüge ins 33 km entfernte französische Annecy sowie die 20 Flüge zum 31 km entfernten La Côte Airport. Gerade bei solchen Kurzstrecken ist der Anteil der Emissionen im Verhätlnis zu den zurückgelegten Kilometern besonders hoch.
Côte d’Azur: Umstieg in den Hubschrauber
Der Flughafen Côte d’Azur in Nizza weist eine auffallend hohe Zahl an Kurzdistanzflügen auf, viele davon mit einer Distanz unter 25 km. Besonders relevant ist die Verbindung zum Fontvielle Heliport in Monaco, nur 19 km entfernt, die 181 mal geflogen wurde. Auch der Quai du Large Heliport in Saint-Tropez liegt mit 20 km sehr nah und wurde 52 mal angeflogen. Eine weitere vielgenutzte Strecke führt zum Mandelieu Airport in Cannes (24 km), mit 260 Flügen und einem Verbrauch von über 139 Tonnen CO₂. Etwas weiter entfernt liegt La Mole Airport bei La Môle, ebenfalls in der Nähe von Saint-Tropez, mit einer Distanz von 77 km.
Diese regionalen Raummuster zeigen, dass der Flughafen Côte d’Azur stark durch extrem kurze Flugverbindungen geprägt ist, deren Häufigkeit trotz geringer Distanz zu erheblichen Emissionen führt. Hier drängt sich der Verdacht auf, dass es sich bei vielen dieser Flüge um exklusive Verbindungen für sehr wohlhabende Reisende handelt – Verbindungen, die häufig mit dem Helikopter oder Kleinflugzeug durchgeführt werden und in Relation zur Distanz extrem hohe Emissionen verursachen. Angesichts gut ausgebauter Straßenverbindungen und verfügbarer Alternativen im Nahverkehr erscheinen diese Flüge aus klimapolitischer Sicht besonders problematisch.

Schlussfolgerungen
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Privatflüge nur einer kleinen, privilegierten Minderheit zur Verfügung stehen und im Vergleich zu kommerziellen Flügen deutlich höhere Pro-Kopf-Emissionen verursachen. Besonders auffällig ist das Emissionsprofil bei Kurzstreckenflügen: Bei Distanzen unter 200 Kilometern entstehen überdurchschnittlich hohe Emissionen pro zurückgelegtem Kilometer.
Die Beispiele aus Genf und Nizza legen nahe, dass viele dieser Flüge auf Strecken stattfinden, die problemlos auch mit anderen Verkehrsträgern zurückgelegt werden könnten. Die Entscheidung für den Privatjet dürfte dabei in erster Linie durch den Wunsch nach Zeitersparnis oder Komfort motiviert sein – Vorteile, die jedoch nur für einen sehr kleinen, zahlungskräftigen Personenkreis zugänglich sind.
Entsprechend ergeben sich eine Reihe weiterführender Fragen, die künftig stärker in den Mittelpunkt der politischen und gesellschaftlichen Debatte rücken sollten. Dazu zählen insbesondere die Gerechtigkeitsimplikationen: Wer trägt letztlich die Verantwortung für die hohen Emissionen? Wie lässt sich verhindern, dass die Allgemeinheit – etwa durch steuerliche Begünstigungen – diese Emissionen indirekt mitfinanziert? Und welchen regulatorischen Rahmenbedingungen unterliegt die private Luftfahrt aktuell überhaupt?
Angesichts der sich weiter verschärfenden Klimakrise braucht es auf diese Fragen klare, nachvollziehbare und wirksame Antworten.