Faktor Sicherheitsgefühl im Radverkehr

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Die Entscheidung darüber, ob das Fahrrad als Verkehrsträger gewählt wird, hängt maßgeblich vom allgemeinen Sicherheitsgefühl ab (1). Zwar bewerten unterschiedliche Radfahrer:innen die Sicherheitslage, je nach individueller Risikobereitschaft, verschieden (2), das allgemeine Sicherheitsempfinden wird jedoch auch stark von der angebotenen Radverkehrsinfrastruktur beeinflusst. Letztlich wird beim Radfahren die individuelle Gefahrenwahrnehmung von beiden Aspekten bestimmt und ist zentral für das Sicherheitsgefühl.

Starker Fokus auf Unfallstatistiken

In der Verkehrsforschung und -planung wird Sicherheit oftmals einseitig als die „Abwesenheit von Kollisionen“ (3) definiert, d.h. in der Regel auch, dass Optimierungsbedarf lediglich aus polizeilich erfassten Unfallstatistiken abgeleitet wird. In erster Linie bilden Unfallstatistiken die alleinige Datengrundlage, während anderen Informationsquellen untergeordnete Rollen zukommen. Problematisierend kommt hinzu, dass nicht alle Unfälle von den Statistiken erfasst werden (4) und die für eine umfassende Gefahrenbewertung relevanten Beinaheunfälle (5) bei einer alleinigen Betrachtung von verhältnismäßig seltenen Extremereignissen unberücksichtigt bleiben.

Individuelle Gefahrenmeldungen markieren Optimierungsbedarf

Die von Radfahrer:innen als gefährlich und unangenehm wahrgenommenen Verkehrssituationen – von denen nur ein Bruchteil, so drastisch ausfällt, dass sie zu einem Unfall führen – können hingegen eine wertvolle zusätzliche Informationsquelle zu amtlich registrierten Unfallstatistiken darstellen (6). Denn sie markieren die gewöhnlichen Alltagsgefahren, die gegenüber folgenschweren Extremereignissen (erfassten Unfällen) sehr häufig auftreten. Somit weisen sie auf vielfältige Optionen zur Optimierung der Radverkehrsinfrastruktur hin, können eine zentrale Datenbasis zur Detektion räumlicher Gefahrenmuster und Beinaheunfälle sein und sollten deshalb eine hohe planerische Relevanz einnehmen.

Innovative Gefahrenkartierungen liefern wertvolle Erkenntnisse

Innovative Gefahrenkartierungen und neue Forschungsansätze zeigen, wie und dass Gefahren systematisch kartiert werden können, um amtliche Unfallstatistiken anzureichern und Verkehrsrisiken von Radfahrer:innen und allen anderen Verkehrsteilnehmer:innen auf eine breitere Informationsbasis zu stellen (7). Insbesondere Formen des Crowdsourcings und kollektiven Kartierens bieten weitreichende Einblicke in vielfältige Gefahrenaspekte (8, 9). Obwohl die Wahrnehmungen der Verkehrsteilnehmer subjektiv sind, können Sie in ihrer Gesamtheit valide Prädiktoren für tatsächliche Gefahren sein (6) und bieten weitreichende Einblicke in verschiedene Gefahren im Radverkehr.

Gefahrenmuster sichtbar machen und Lösungen finden

Kollektive Gefahrenkartierungen erleichtern es, eine Radverkehrsführung zu finden, die auch von möglichst vielen Radfahrer:innen als besonders sicher und angenehm wahrgenommen wird. I.d.R. werden entsprechende Kartierungen von Laien durchgeführt, die mit ihrem Smartphone umfangreiche und wertvolle georeferenzierte Informationen liefern. So wird das Gefahrenpotential, z.B. hinsichtlich schlechter Zustände der Fahrbahn, verengter Abschnitte, gefährlicher Kreuzungsmomente und Spurwechsel, angrenzend parkender Pkw (Gefahren durch Dooring) sichtbar und die Informationen zeigen an, ob Gefahren mit spezifischen Fahrbahntypen verknüpft sind und wo Gefahren Hotspots, fernab bekannter Unfall Hotspots, liegen.

Quellen

(1) Van Hagen, M. & B. Govers (2019): Dare, able and invited to cycle! The pyramid of train customer needs applied to cycling policy.
(2) Dill, J. & N. McNeil (2013): Four Types of Cyclists? Examination of Typology for Better Understanding of Bicycling Behavior and Potential. DOI: 10.3141/2387-15
(3) Schwedes, O., Wachholz, S. & D. Friel (2021): Sicherheit ist Ansichtssache. Subjektives Sicherheitsempfinden: Ein vernachlässigtes Forschungsfeld. Online unter: https://orlis.difu.de/handle/difu/580247
(4) Aldred, R., & Crosweller, S. (2015). Investigating the rates and impacts of near misses and related incidents among UK cyclists. Journal of Transport & Health, 2(3), 379-393.
(5) Aldred, R. Cycling near Misses: Their Frequency, Impact, and Prevention. Transp. Res. Part A Policy Pract. 2016, 90, 69–83.
(6) Hologa, R.; Riach, N. Approaching Bike Hazards via Crowdsourcing of Volunteered Geographic Information. Sustainability 2020, 12, 7015
(7) Olma, J.; Bode, T.; Ehlers, J.; Sutter, C. Road Users’ Reports on Danger Spots: The Crowd as an Underestimated Expert? Safety 2022, 8, 70. https://doi.org/10.3390/safety8040070
(8) FixMyCity (2020): Studie zur subjektiven Sicherheit im Radverkehr – Ergebnisse und Datensatz einer Umfrage mit über 22.000 Teilnehmenden. Online unter: https://radwege-check.de/auswertung/
(9) von Stülpnagel, R.; Lucas, J. Crash Risk and Subjective Risk Perception during Urban Cycling: Evidence for Congruent and Incongruent Sources. Accid. Anal. Prev. 2020, 142, 105584
 
Transparenzhinweis: Der Autor des Beitrags ist Co-Autor einer der zitierten Arbeiten (6).